Presse

Erfurter Allgemeine 11.05.2020

Artikel zur Weinpflanzung 2020.

Zick zack weg

Der Verein der Erfurter Weinzunft pflanzte 300 Reben am Petersberg

Michael Keller

Erfurt Der kleinste Weinberg Thüringens liegt – richtig – in Erfurt. Auf dem Petersberg. Rund 2300 Quadratmeter groß. Liebevoll gehegt und gepflegt vom 25-köpfigen Weinbergsverein der Erfurter Weinzunft. 15 von ihnen kamen am Freitag und Samstag bei strahlendem Sonnenschein ganz schön ins Schwitzen. 300 neue Reben in den Sorten Müller-Thurgau, Riesling, Portugieser, Silvaner und Dornfelder waren angeliefert worden und warteten darauf, in den Boden des Petersbergs gesetzt zu werden.

Geschuldet der Bundesgartenschau. Und wegen des gerade im Bau befindlichen Zick-Zack-Weges. Dem waren die Hälfte der einstmals 660 Reben zum Opfer gefallen. Sie mussten weichen. Gefragt hatte die Weinfreunde vorher keiner. Aber sie haben inzwischen ihren Frieden mit der Stadt gemacht und den Verlust hingenommen. Zum Ausgleich bekam der Verein einen Pachtvertrag zu guten Konditionen für die nächsten 20 Jahre.

„Trotzdem hat uns allen das Herz geblutet, als die gesunden Reben raus mussten“, gibt Schatzmeister Bernd Eid zu. Umsetzen ist da nämlich nicht möglich. Sie landeten im Grünabfallschredder. Was aber die Erfurter Hobbywinzer nicht schrecken konnte. Der Verein hat 10.000 Euro in die Hand genommen und 300 Reben nebst den Materialien, die man zum Anlegen einer neuen Weinanbaufläche braucht, gekauft. Und mit einem doppelten Arbeitseinsatz – darunter auch viel Frauenpower, denn der Verein hat neun Damen aufzuweisen – das Projekt gestemmt.

Pfähle für die Spanndrähte, an denen sich die Reben festhalten, setzen, Pflanzlöcher ausheben, Reben pflanzen, meterlange Schläuche für ein Bewässerungssystem in den Boden bringen. Eine Lehre aus dem letzten heißen Sommer. Wenn wieder so eine Hitze kommt, wäre das sonst das Ende für die Jungreben, sagt Vereinschef Michael Schneider. Nun kann nach Gusto bewässert werden.

Und dann heißt es pflegen. Und warten. Fünf Jahre, schätzt Schneider, werde es dauern, ehe die Rebstöcke jenen Ertrag abwerfen, den die dem Zick-Zack-Weg geopferten hatten.

Das Erfurt überhaupt einen Weinanbau hat, geht bis in Napoleons Zeiten zurück. Das heutige aktive Vereinsleben ist den Winzerkollegen aus Bechtheim in Rheinland-Pfalz zu verdanken. Die Verbindung zu Erfurt begann in den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts, wurde vom zweiten Weltkrieg und der deutschen Nachkriegsordnung unterbrochen, lebte aber nach dem Mauerfall sofort wieder auf. Mit einem wertvollen Geschenk – zweimal 99 Reben – im Gepäck rückten 1990 die Bechtheimer Winzer in Erfurt an. Sie hatten in Rheinland-Pfalz auf eine Weinbergfläche zugunsten der Erfurter, die zum Saale-Unstrut-Weinbaugebiet zählen, verzichtet. Denn bei den Weingesetzen in der EU und in Deutschland gibt es knallharte Bandagen. Die Gesamtfläche, auf der Weinreben erlaubt sind, ist begrenzt. Um die Preise für Wein zu halten und die Weinbauern nicht pleite gehen zu lassen. „Das war unser Startkapital“, sagt Vereinsvize Jürgen Koch.

Ein gutes Tröpfchen, gekeltert auf der Stadtkrone

1000 Liter Wein in fünf Rebsorten war bislang der Jahresertrag der Reben vom Petersberg. Oder anders gesagt: 1500 Flaschen. Einige davon wurden bei den zwei obligaten Arbeitseinsätzen pro Monat – jedes Mitglied des Vereins opfert einige hundert Stunden per anno der Anbaufläche auf dem Petersberg – geleert oder auf dem Petersberg direkt vor Ort verkauft.

Auch in einer Weinhandlung auf der Krämerbrücke oder beim Weinfest, das in diesem Jahr wohl ausfällt, gingen die leckeren Tropfen im Nu weg. Es hat sich rumgesprochen, dass da oben auf der Stadtkrone ein gutes Tröpfchen gekeltert wird.

Erstaunlich irgendwie ist, dass der Weinbergsverein, obwohl mitten auf dem Petersberg präsent, im nächsten Jahr kein Bestandteil der Bundesgartenschau sein wird. „Man hätte uns mit einbinden können, aber so ist es auch gut“, sagt Vereinschef Schneider. Man werde den Weinberg besonders schön herrichten, um als Erfurter Winzer einen guten Eindruck zu hinterlassen. Spricht’s und stößt zum Feierabend mit seinen Mitstreitern an: Mit einem leckeren halbtrockenen Riesling aus Thüringens Landeshauptstadt. 

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